"Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" in Kraft: 28.3.2020

Zweites Bevölkerungsschutzgesetz in Kraft: 23.5.2020  Drittes Bevölkerungsschutzgesetz in Kraft: 19.11.2020

Viertes Bevölkerungsschutzgesetz in Kraft: 23.4.2021

Abgeordnetenwatch: Abstimmungsverhalten der Abgeordneten zum dritten Bevölkerungsschutzgesetz

Namentliche Abstimmung zum vierten Bevölkerungsschutzgesetz


24.4.2021: "Steinmeier bremst mit Blitz-Unterschrift Karlsruhe aus - Ein Student wollte einen Eilantrag gegen das neue Infektionsschutzgesetz einbringen – doch Bundespräsident Steinmeier kam ihm zuvor ... 'Der kurze zeitliche Abstand zwischen dem Ende der Bundesratssitzung und der Ausfertigung zeigt meiner Ansicht nach, dass der Bundespräsident seiner Prüfungskompetenz nicht verantwortungsvoll nachgekommen ist. Ich habe nun meinen Antrag dahingehend umgestellt, dass die Verkündung im Bundesgesetzblatt unterbunden werden soll' ... Der Nutzen der Bundesnotbremse sei 'zweifelhaft, der Schaden für den Rechtsstaat ... jedoch sicher'." Gesundheitsministerium: "Fragen und Antworten zum 4. Bevölkerungsschutzgesetz." Peter Ramsauer: "wirft der Unions-Führung vor, beim Votum über das Infektionsschutzgesetz Druck ausgeübt zu haben. Andernfalls hätten viel mehr Abgeordnete mit Nein gestimmt." Hubert Aiwanger: "attackiert Merkels Notbremse - zum Teil 'fachfremd' und 'schizophren'." Tübingens OB sauer: "Palmer 'gezwungen' zu Notbremse: '... offen und sind trotzdem besser'." Lauterbach: findet neues Infektionsschutzgesetz noch nicht hart genug, fordert Ministerpräsidenten auf, bei Bedarf über die Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz hinaus zu gehen.

 

22.4.2021: "In einer Sondersitzung hat der Bundesrat am ... 22. April 2021 das 4. Bevölkerungsschutz-gesetz gebilligt, das erst einen Tag zuvor vom Bundestag verabschiedet worden war. Die Bundes-regierung hatte den Bundesrat gebeten, das Gesetz nicht erst in der nächsten regulären Sitzung am 7. Mai 2021, sondern möglichst rasch zu behandeln", um das Verfahren schnell abzuschließen. "Es war bereits die 6. Sondersitzung des Bundesrates in Zeiten der Corona-Pandemie." Beschlussdrucksache 

Außerdem: "Erste Klage gegen 'Corona-Notbremse' in Karlsruhe eingereicht ... Rechtsanwalt Claus Pinkerneil mit Kanzleien in Berlin und München teilte mit, Verfassungsbeschwerde eingelegt zu haben. Ihm gehe es vor allem darum, dass das Gesetz die Maßnahmen weitestgehend (verwaltungs-)-gerichtlicher Kontrolle entziehe, dass der Inzidenzwert als alleiniger Maßstab ungeeignet sei und dass insbesondere Ausgangsbeschränkungen unverhältnismäßig seien. Pinkerneil sagte ..., dass er die Verfassungsbeschwerde absichtlich schon vor der Entscheidung des Bundesrats eingelegt habe. Das Verfassungsgericht könnte die Unterzeichnung durch Steinmeier stoppen ... Er bereite aber schon weitere Verfassungsbeschwerden unter anderem für Gastronomen vor für den Fall, dass das Gesetz in Kraft tritt." Siehe auch: "Der Münchner Bundestagsabgeordnete Florian Post will die Bundes-Notbremse so nicht hinnehmen. Sollte es keine weiteren Änderungen an dem geplanten Gesetz geben, will der SPD-Rechtsexperte vor das Bundesverfassungsgericht ziehen ... Ein entsprechender Entwurf soll bereits fertig sein." Und dieses: "Die Gesellschaft für Freiheitsrechte will die geplante Ausgangssperre vor Gericht zu Fall bringen. Sie sieht die Grenzen der Verfassung überschritten." 

 

21.4.2021: Der Bundestag beschloss heute mehrheitlich (342 Ja-Stimmen - 250 Nein-Stimmen - 64 Enthaltungen) das vierte Bevölkerungsschutzgesetz ("Bundes-Notbremse"). Komplett dagegen stimmten nur die Fraktionen der FDP, der AfD und der Linken sowie die fraktionslosen Mitglieder. Bei den Grünen gab es nur eine Nein-Stimme, der Rest enthielt sich. Worum es ging und was beschlossen wurde beschreibt Legal Tribune Online. Bundestagsdebatte dazu ab Minute 16:20 im Video Kritikauszüge: "Uckermärker CDU-Mann befürchtet ruinösen Dauerlockdown - Jens Koeppen (CDU) stellt sich gegen die Kanzlerin: 'Wollen wir den Bürgern das Gefühl geben, dass sie wie Straftäter auf Freigang behandelt werden'?" Stefan Homburg: "Der Lockdown hängt nicht mehr von medizinischen Indikatoren ab, sondern nur noch von einer 'Inzidenz', die über die Parameter Testanzahl, CT-Wert und Gensequenzen politisch steuerbar ist. Allein das Bundesverfassungsgericht könnte dies kippen, aber da besteht wenig Hoffnung." Und eine historische Rede frei nach Otto Wels (SPD). Bei der FAZ schwärmt man hingegen von der Bundes-Notbremse. In Berlin gab es eine "Großdemo gegen Infektionsschutzgesetz Polizei löst Demos auf – und nimmt 200 Personen fest".  

 

20.4.2021: Gesundheitsausschuss: "billigt Corona-Notbremse - Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat das vierte Bevölkerungsschutzgesetz (19/28444) ... in veränderter Fassung gebilligt. Für die Vorlage votierten am Montag in einer Sondersitzung des Ausschusses die Fraktionen von Union und SPD, die Fraktionen von Linken, FDP und AfD stimmten dagegen, die Grünen enthielten sich."

 

16.4.2021: "Bundesweite Notbremse kontrovers diskutiert ... Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Freitagnachmittag deutlich..." Die Länderkammer teilt mit: "wurde für Donnerstag eine Sondersitzung einberufen ... Länderkammer könnte den Vermittlungs-ausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen, um das Gesetz nachverhandeln zu lassen."

Plenarprotokoll der 1. Beratung sowie die Debatte im Video

 

15.4.2021: Stellungnahme der Gruppe um Schrappe zum Entwurf des 4. Bevölkerungsschutzgesetzes: "Zentralisierte Willkür..." Weitere Positionspapiere Merkels Notbremse unter Beschuss: "Sogar Kanzleramts-Juristen warnen ... Der bayrische SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post will dagegen klagen, sollte es nicht noch substanzielle Änderungen geben. 'Ich habe erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes' ... Auch aus Bayern droht eine Klage - von Markus Söders Koalitionspartner Freie Wähler." Die erste Lesung zu Änderungen zum "Bevölkerungsschutzgesetz" steht derzeit für Freitag, 16. April, für 9 Uhr auf der Tagesordnung des Bundestags. Der Beschluss soll am Mittwoch kommende Woche erfolgen. Bundesregierung: "bereitet Corona-Sondergesetze vor - Polizei-Hundertschaften riegeln Berliner Regierungsviertel ab." Außerdem: "Stellungnahme zur geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes" des Netzwerks Kritischer Richter und Staatsanwälte. Entwurf der Fraktionen von Union und SPD für ein Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite - Meldung dazu sowie ein kritisches Video dazu   Bundestagsgutachten: stützt Kritik an Änderung des Infektionsschutzgesetzes.

 

14.4.2021: Zweifel an Verhältnismäßigkeit: "Stöhr hält 100er-Notbremse für irreführend ... sollte die Politik endlich auf Erkrankungen schauen. Die wissenschaftlichen Bedenken gegen das Notbremsen-Gesetz der Bundesregierung sind beträchtlich. Während der aktuelle Chef-Virologe der Charité, Christian Drosten, die Regelungen nicht für ausreichend hält, um die Lage auf den Intensivstationen zu entschärfen, hadert sein Vorgänger Detlev Krüger mit der Bemessungsgrundlage. In einem offenen Brief an den Deutschen Bundestag warnen er und der ehemalige WHO-Experte Klaus Stöhr eindringlich vor der vom Bundeskabinett angestrebten Veränderung des Infektionsschutzgesetzes..." Das Bundeskabinett "hat sich auf einheitliche Corona-Maßnahmen geeinigt. Ab einer Inzidenz von 100 soll eine nächtliche Ausgangssperre greifen. Der Bundestag will die Notbremse jedoch nicht im Schnellverfahren beschließen", aber im beschleunigten Verfahren. "Die Gesetzesänderung soll insgesamt nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag gelten. Das ist derzeit der 30. Juni."

 

13.4.2021: "Bundesregierung bereitet Corona-Sondergesetze vor - Polizei-Hundertschaften riegeln Berliner Regierungsviertel ab." Sachverständige: "Nachbesserungsbedarf im Bevölkerungsschutz."  Die FDP lehnt: "eine Verabschiedung der bundeseinheitlichen Notbremse im Infektionsschutzgesetz noch in dieser Woche ab ... 'Eine solche Blamage wäre vorprogrammiert, wenn eine ganze Reihe verfassungsrechtlicher Fragen nicht seriös geprüft und erörtert werden kann' ... Buschmann warnt zugleich davor, die Fristen der Geschäftsordnung mit Zweidrittelmehrheit außer Kraft zu setzen. Dies sei zwar möglich. 'Wir würden damit aber unserer parlamentarischen Demokratie einen Bärendienst erweisen' ... stellt Buschmann infrage, ob das geplante Gesetz als sogenanntes Einspruchsgesetz behandelt werden kann ... Aus Sicht der FDP-Fraktion sei es daher 'essenziell, dass wir ... Experten zum Gesetzentwurf anhören'. Damit wäre ein beschleunigtes Verfahren nicht möglich..." 

 

5.3.2021: Epidemische Lage: "Bundestag verlängert Corona-Befugnisse der Regierung bis Juli - Trotz Kritik über fehlende Mitbestimmung in der Coronakrise hat der Bundestag der Regierung weitreichende Corona-Befugnisse bis Sommer erteilt. Die Abstimmung fiel jedoch knapper aus als zuletzt ... Für die Vorlage stimmten 368 Abgeordnete, 293 waren dagegen. Ohne die Abstimmung wäre die Lage Ende März ausgelaufen. Sollte in Zukunft kein neuerlicher Beschluss zur Fortsetzung gefasst werden, läuft die Regelung zum 1. Juli aus. Antrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD: "Feststellung des Fortbestehens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite" mit "Begründung". Außerdem: "Der Bundestag stellt ein eigenes Kontrollgremium für die Corona-Politik auf." 

 

22.2.2021: Anhörung im Gesundheitsausschuss zum "Entwurf eines Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen" (19/26545) - Die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen sind hier abrufbar (siehe dazu auch den Eintrag vom 10.2.2021).

Nachtrag: Siehe auch diese entsetzte Kritik zum Gesetzentwurf.

 

10.2.2021: Regelungen zur epidemischen Lage sollen fortgelten ... Angesichts der weiterhin dynamischen Infektionslage, auch bedingt durch Mutationen, sei es nötig, die Geltung der gegenwärtigen Regelungen und Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit über den 31. März 2021 hinaus zu verlängern und zugleich für künftige pandemische Lagen die rechtlichen Grundlagen zu erhalten, heißt es in einem Gesetzentwurf (19/26545) der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD ... Pandemiebedingte Verordnungsermächtigungen und Rechtsverordnungen sollen nur noch an die Feststellung der epidemischen Lage anknüpfen. Sie sollen nicht mehr Ende März 2021 oder im Fall einer Verordnung nach Paragraf 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 10 IfSG (Gesundheitsberufe) Ende März 2022 außer Kraft treten ... Schließlich soll das Bundesgesundheitsministerium eine externe wissenschaftliche Evaluation der gesamten Regelungen zur epidemischen Lage in Auftrag geben. Das Ergebnis soll bis Ende 2021 vorgelegt werden."

 

3.2.2021: So, gestern konnte man lesen: "SPD und Union wollen epidemische Lage bis Ende Juni verlängern." Man vergleiche gerne den "#Faktenfuchs" der beschwichtigenden Medien von Anfang Januar: "Nein, der Lockdown wurde nicht schon bis Juni 2021 beschlossen - Infografiken des Bundesfinanzministeriums werden falsch interpretiert ... Sie sind aber kein Hinweis auf einen Lockdown bis zum Sommer." Merke: regelmäßig stimmt eher das Gegenteil. NachtragUrplötzlich: "Jens Spahn plädiert für Lockerungen ... 'Wir können nicht den ganzen Winter in diesem harten Lockdown bleiben. Das würden wir nicht gut aushalten als Gesellschaft'." Erst vorgestern hieß es: Das Gesundheitsministerium dringt darauf, die Notlage bis mindestens Juni zu verlängern. Das bekannte Hintertürchen bleibt trotz Spahns Sinneswandel - Ursache dafür könnte auch in dieser Umfrage liegen - offen: "Aber man kann noch nicht abschließend sagen, wo wir am 14. Februar stehen." 

 

2.2.2021: Epidemische Lage: "von nationaler Tragweite soll mindestens bis Juni gelten ... Bundes-regierung strebt Medienberichten zufolge an, bis in den Juni hinein den gegenwärtig bestehenden Status aufrechtzuerhalten und dies per Bundestagsbeschluss entsprechend verlängern zu lassen ... Der Bundestag hatte die epidemische Lage erstmals am 25. März 2020 für ein Jahr festgestellt, Grundlage ist das Infektionsschutzgesetz. Im November stellte das Parlament dann im Zuge der Abstimmung über das sogenannte dritte Bevölkerungsschutzgesetz auf Antrag von Union und SPD den Fortbestand der Ausnahmelage erneut fest. Ohne neuen Beschluss würde die Regelung auslaufen. Das neue Gesetz soll voraussichtlich bereits in der kommenden Woche im Bundestag beraten werden."

 

27.1.2021: "Die FDP-Fraktion fordert in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite eine Stärkung des Parlaments. Derzeit würden Einschränkungen des Grundrechts über Verordnungsermächtigungen und damit durch die Exekutive vorgenommen, heißt es in einem Gesetzentwurf ... Die Bundesregierung solle daher verpflichtet werden, eine Zustimmung des Bundestages einzuholen, wenn beabsichtigt sei, im Rahmen der Bund-Länder-Koordinierung bundeseinheitliche Maßnahmen herbeizuführen. Sei dies nicht möglich, müsse die Zustimmung nachträglich eingeholt werden. Auch solle offengelegt werden, mit welchen Vorschlägen die Bundesregierung in die Bund-Länder-Koordination hineingehe ... Gefordert wird eine entsprechende Änderung des Infektionsschutzgesetzes."

 

23.1.2021: Lockdown vs. Grundgesetz: "Gerichte erklären Maßnahmen für ungültig..."

 

 

9.12.2020: Historiker René Schlott im Interview: "Ich bin schockiert, welche Beschränkungen der offenen Gesellschaft nach dem Infektionsschutzgesetz möglich sind ... unser Gesellschaftmodell damit dauerhaft unter Pandemievorbehalt gestellt ... Viele der Medien nehmen ihre Rolle als vierte Gewalt, die das Regierungshandeln kritisch hinterfragt, kaum oder nur unzureichend wahr ... Ausgangssperren und die Beschränkung aller sozialen Kontakte von 83 Millionen Menschen hätte ich in unserer Demokratie nicht für möglich gehalten. Auch die massive Beschränkung von Religions- und Versammlungsfreiheit, die von den Kirchen und Gewerkschaften, ja zum Teil sogar von den Gerichten akzeptiert wird, ist etwas nie Dagewesenes und wird als Zäsur bleiben, selbst wenn die Corona-Pandemie eines Tages ein wie auch immer geartetes Ende gefunden haben wird ... In einer Hinsicht übertrifft die jetzige Situation aber noch die Dystopie Muray. Bei uns wird nicht allgemein der Gesundheit alles untergeordnet, sondern einzig und allein einer Krankheit: Covid 19. Anders lässt sich nicht erklären, dass selbst gesundheitsfördernde Sportstätten geschlossen wurden und dass in Videospots nicht etwa die das Immunsystem stärkende Bewegung an der frischen Luft, sondern der Fernsehkonsum in geschlossenen Räumen propagiert wird ... Jeder Mensch gilt als ein potentieller 'Gefährder', jeder ist zuallererst Virenträger. Ich weiß nicht, wie man das aus den Köpfen wieder hinausbekommen will ... beobachte ich mit Sorge, wie einige Medienvertreter die Impfpflicht geradezu herbeischreiben und damit Druck auf die Politik aufbauen ... Ich fürchte, wir stehen vor noch massiveren Beschränkungen und ihrer noch rigoroseren Durchsetzung. Die Exekutive scheint keine Selbstbeschränkungen und keine Grenzen mehr zu kennen." !

 

7.12.2020: Mingers Rechtsanwälte: "Neues Infektionsschutzgesetz: Verfassungswidrig&voller Fehler!" Einschätzung von Haufe: "Pandemie-Reaktionsmöglichkeiten von Bund, Ländern und Behörden  wurden massiv erweitert - Die Reaktionsmöglichkeiten von Bund, Ländern und Behörden wurden hiermit für die in der Geschichte der Bundesrepublik bislang nicht erlebte Pandemie-Lage spezifiziert und erweitert. Ganz aktuell wurde das 'Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite' im Schnelldurchgang und begleitet von lautstarken Protesten aus allen Richtungen durch den Gesetzgebungsprozess geschleust." Das reformierte Infektionsschutzgesetz stütze nun Grundrechtseingriffe zur Coronabekämpfung. Verfassungsblog: "Verfassungsrechtlich problematisch ist es, dass die seit dem 2. November geltenden Verordnungen subkutan unterstellen, es gebe eine Art Hierarchie unter den Freiheitsrechten..." 

 

29.10.2020Kubicki rät zu Klage gegen Corona-Beschluss. Siehe auch den Gastbeitrag des FDP-Politikers: "Der Lockdown light atmet einen undemokratischen Geist - ... Welches Denken verbirgt sich hinter dem Handeln der Exekutive, die sich nicht mehr an Recht und Gesetz gebunden fühlt? ... Unsere Verfassung sieht dankenswerterweise keinen staatlichen Erziehungsauftrag vor, sondern will ... die größtmögliche Freiheit gewähren ... Eine solche Einschränkung von Grundrechten ohne fachliche Begründung steht deshalb nicht auf dem Boden unserer demokratischen Ordnung ... Für die Akzeptanz unserer Rechtsordnung stehen offensichtlich schwere Zeiten an. Es bedarf mehr Demokraten, die sich für sie in die Bresche schlagen." FDP-Antrag: "Infektionsschutzmaßnahmen auf eine klare gesetzliche Grundlage stellen – Demokratie und Parlamentarismus stärken." Lockdown-Entscheidung basiert nicht auf fundierten Erkenntnissen. Thüringen: "will über Corona-Beschlüsse abstimmen lassen." Presse-konferenz: Neuer Quasi-Lockdown. Beschlüsse im Überblick Wissenschaftler und Ärzteverbände präsentieren Kritik und AlternativvorschlagNachtrag: "Ärzte distanzieren sich von Positionspapier gegen Shutdown." Hingegen: "Die von Ärzteverbänden und Wissenschaftlern ausgearbeitete Anti-Corona-Strategie kommt in weiten Teilen der Ärzteschaft gut an." Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler: Pauschale Maßnahmen sind verfassungsrechtlich unzulässig. 

 

27.10.2020:  Ramelow (Linke): "sperrt sich gegen Lockdown-Pläne – 'Das geht so nicht'." Siehe dazu: "Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow äußert scharfe Kritik an der Bundesregierung ... 'Es ist höchste Zeit, dass wir wieder ein Verfahren bekommen, das den Grundregeln des Parlamentarismus entspricht ... Ich bin keine nachgeordnete Behörde des Kanzleramtes.' Vor der jüngsten Ministerpräsidenten-Konferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hätten die Länderchefs von dort um 10.50 Uhr eine Vorlage bekommen für eine Sitzung, die bereits um 14 Uhr begonnen habe. Dieses Verfahren wiederhole sich nun." Faktisch Lockdown: in Berchtesgaden: Freie Wähler erwägen Klage.  Verfassungsrechtler Oliver Lepsius: Lockdown im März war aus heutiger Sicht verfassungswidrig. Auch der Inzidenzwert von 50 sei rein politisch und nicht medizinisch begründet. 


17.11.2020

Petition zum dritten Pandemie-Gesetz 

 

Petition: "IfSG: Nein zur Ermächtigungsgrundlage! - Wir fordern den Deutschen Bundestag auf, die Neuauflage des Infektionsschutzgesetzes am 18.11.2020 nicht zu verabschieden." Die Petition erreichte in fünf Tagen 230.765 Unterschriften und ist im Bundestag eingereicht. Die Welt dazu: "Im Eiltempo will die Koalition das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz beschließen. Es ist die Basis für künftige Corona-Freiheitsbeschränkungen. Doch das geplante Gesetz ist ein Schlag ins Gesicht der parlamentarischen Demokratie."

 

Nachtrag vom 18.11.: Die fast zweistündige Debatte zum dritten "Bevölkerungsschutzgesetz" kann hier nachgeschaut werden. Der Bundestag hat am 18. November 2020 in namentlicher Abstimmung den Entwurf der Koalitionsfraktionen für ein drittes "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" angenommen. Für den Entwurf stimmten 413 Parlamentarier, dagegen stimmten 235 Abgeordnete bei acht Enthaltungen. Das Gesetz wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und den Grünen beschlossen. Von FDP, Linke, AfD und Fraktionslosen gab es null Ja-Stimmen für das Gesetz. Die Grafik zur namentlichen Abstimmung zum Antrag der Koalitionsfraktionen zur Feststellung des Fortbestandes der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom selben Tag sieht fast gleich aus (die große Mehrheit bei FDP und Linke enthielt sich).

 

Zu den Protesten von mehreren tausend Demonstranten vor dem Bundestag: Wer dies via Livestream verfolgen wollte, um sich eine eigene Meinung zu bilden, hatte Probleme: Youtube blockierte offenbar stellenweise die Signale. Zum Nachschauen gibt es von der britischen Zeitung "The Sun" ein viereinhalbstündiges Live-Video (Einsatz von Wasserwerfern im späteren Teil des Videos). 

 

Nachtrag vom 20.11.: Die FR (!): "Neues Corona-Infektionsschutzgesetz: Die Gefahr der 'autoritären Demokratie'." Und der Freitag: "Längst hat die 'Corona-Krise' zu einer Demokratie-, Rechtsstaats- und Verfassungskrise geführt – der 'Lockdown light' in diesem Monat ist das aktuellste Beispiel. Er trifft Kultureinrichtungen und Veranstalter, Gastronomie und Hotelbranche mit voller Härte – trotz weitgehend funktionierender Hygienekonzepte ... Hans-Jürgen Papier, früher Bundesverfassungsrichter, warnt vor einer 'Erosion des Rechtsstaats' ... Durchregieren per Dekret soll also bedenklicher Normalzustand bleiben." Außerdem: "Drittes Bevölkerungsschutzgesetz: Massenhafte Datenspeicherung beim RKI - Anti-Pandemiegesetz der Großen Koalition zentralisiert die Gesundheitsdaten von Betroffenen bei einer Bundesbehörde. Datenschützer schlagen Alarm." Die NZZ meint: "Auch Merkel und Kurz dürfen die Bürger nicht zum sozialen Tod verurteilen. Jede Corona-Strategie muss umsetzbar und berechenbar sein - Hausarrest für alle, Kontaktverbote für Kinder: Vieles, was sich jetzt Regierungen ausdenken, geht gegen die menschliche Natur..." 


6.11.2020

„Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung“

 

Heute ab 9 Uhr steht im Bundestag die erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ an. Die Regierung will damit die „eingriffsintensiven Maßnahmen“ präzisieren. Möglich werden soll unter anderem „eine digitale Einreiseanmeldung nach Aufenthalt in Risikogebieten“. Ferner: „Beim RKI werden neuartige Surveillance-Instrumente wie eine virologische und syndromische Surveillance vorgesehen. Dagegen wird von der bislang nicht umgesetzten nicht-namentlichen Meldepflicht in Bezug auf eine Sars-CoV-2-Infektion zu Gunsten der Konzentration auf die namentliche Positivmeldung Abstand genommen.“ Hier noch zitiert: „Um vorhandene Testkapazitäten umfassend nutzen zu können, wird der Arztvorbehalt nach § 24 IfSG in Bezug auf patientennahe Schnelltests auf das Coronavirus Sars-CoV-2 und auf die Nutzbarkeit veterinärmedizi-nischer Laborkapazitäten entsprechend angepasst.“ 

 

 

Nachtrag vom 14.11.: Stellungnahmen zur Anhörung des Gesundheitsausschusses: Rechtsexperten kritisierten geplante Änderungen im Infektionsschutzgesetz: "Der neue Paragraf 28a genüge den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Die Vorschrift lasse keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen." Siehe dazu Verfassungsblog: "Was verlangen Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgebot?"                                    Debatte im Bundestag


18.9.2020

Demokratiewidrige Maßnahmen

 

Gesundheitsausschuss: Aus einer Stellungnahme von Prof. Thorsten Kingreen: "...Eine 'epidemische Notlage von nationaler Tragweite' i.S.v. § 5 Abs. 1 IfSG liegt daher derzeit nicht vor ...  könnte man einwenden, dass die Aufhebung des Beschlusses in einer Zeit steigender Infektionszahlen ein falsches Signal setzt. Das rechtliche Problem besteht aber im Kern darin, dass die Feststellung der 'epidemischen Notlage' ein verfassungsrechtlich hochgradig problematisches Ausnahmerecht auslöst und ihre dauerhafte Aufrechterhaltung den fatalen Anschein eines verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Ausnahmezustands setzt." In einer Rechtsverordnung dürfe niemals originärer politischer Gestaltungswille der Exekutive zum Ausdruck kommen. "...handelt es sich also um eine Blankovollmacht, die weitaus mehr als 1.000 Vorschriften umfasst ... Gesetze, die ein Ministerium weitgehend schrankenlos nicht nur konkretisieren, sondern auch aufheben kann, lassen sich aber mit dem Maßstab der Bestimmtheit ... nicht mehr erfassen. Diese Verlagerung (grundrechts-)wesentlicher Entscheidungsbefugnisse auf eine gesetzlich nicht angeleitete Exekutive wird ... fast einhellig ... für verfassungswidrig gehalten ... verschieben die Rechtsverordnungsermächtigungen die Achsen der horizontalen Gewaltenbalance, die durch das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip ausgeformt werden, erheblich ... Bei alledem geht es auch um die Gefahr der Verstetigung."                                

 

Nachtrag vom 23.10.SPD will: Maskenpflicht und Sperrstunde im Infektionsschutzgesetz verankern. Hingegen: Ex-Bundesverfassungsrichter H.-J. Papier warnt: "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt werden. Der Staat darf nicht in der allgemeinen legitimen Absicht, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, jedweden Grundrechtseingriff von beliebiger Schwere vornehmen ... Infektionsschutzgesetz ist für flächendeckende Lockdown-Regelungen" nicht ausgelegt. 


15.5.2020

Zweites "Pandemie-Gesetz" beschlossen

 

Krankenkasseninfo teilt mit: "Der deutsche Bundestag hat am 14. Mai 2020 mit den Stimmen der Großen Koalition ein zweites 'Pandemie-Gesetz' mit Maßnahmen zur Corona-Krise verabschiedet. Die Oppositionsparteien lehnten das Gesetz mit unterschiedlichen Argumenten ab. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am 15. Mai zu, so dass es in Kraft treten kann ... unter anderem die Ausweitung der Kostenübernahme für Corona-Tests, Meldepflichten auch für negative Testergebnisse, Modernisierung der Gesundheitsämter, ein höheres Kurzarbeitergeld sowie ein längeres Pflegeunterstützungsgeld sowie einen einmaligen Bonus für Pflegekräfte beschlossen. Der im Gesetzesentwurf vom April noch aufgeführte Immunitäts-Pass ist auf Druck der SPD und Oppositionsparteien aus dem Gesetzestext gestrichen worden. Die Frage ist bis zu einer Entscheidung des Deutschen Ethikrates vertagt. Dem Bundesgesundheitsministerium ist es nun möglich, die Krankenkassen zu verpflichten, die Kosten für Tests auf das Coronavirus auch bei Symptomfreiheit zu bezahlen. Weiterhin können verstärkte Tests in der Umgebung von besonders gefährdeten Menschen verfügt werden." Das Ärzteblatt berichtet darüber hinaus: "Psychotherapeuten sind empört über eine Änderung im zweiten Bevölkerungs­schutzgesetz, die nichts mit der Covid-19-Pandemie zu tun hat, sondern Übergangs­re­ge­ge­lungen bei der Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichen­psychotherapeuten betrifft. 'Die Änderungen kamen quasi über Nacht in den Entwurf', kritisiert Gebhard Hentschel ... 'Ohne Betei­ligung der psychotherapeutischen Fach- und Berufsverbände wurden hier eilig Elemente des Psychotherapeutengesetzes geändert ... Dieses undemokratische Vorgehen irritiert uns sehr'." (!)                             Die Debatte im Bundestag im Video 

 

Nachtrag vom 16.6.FDP fordert: "Epidemische Lage von nationaler Tragweite beenden..." Virtuelle Hauptversammlung: Covid-19-Gesetz beschneidet wesentliche Rechte...

 

Nachtrag vom 23.6.Antwort der Regierung: "Verhältnismäßigkeit der Corona-Eindämmungsstrategie und Schutz der Demokratie." ." Die FDP fordert: per Antrag eine Aufklärungskampagne zu den Grundrechtsbeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie.

 

Nachtrag vom 10.9.: Linke und Grüne argumentierten, die Infektionszahlen seien zuletzt wieder gestiegen und rechtfertigten den Ausnahmezustand, wie es hier heißt: "Die FDP-Fraktion will die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag aufheben, ohne dass zugleich die in der Folge erlassenen Rechtsverordnungen und Anordnungen außer Kraft treten ... Statt einer dynamischen Entwicklung gebe es ein tendenziell abnehmendes Infektionsgeschehen. Die Infektionszahlen seien insgesamt drastisch zurückgegangen ... Juristen gaben allerdings zu bedenken, dass die mit dem Feststellungsbeschluss einhergehenden Befugnisse für das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verfassungsrechtlich bedenklich seien." 


7.5.2020

„Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung“

 

Heute Mittag findet im Bundestag die „Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (Überblick beim BMG) statt. Das erste Gesetz dazu, durch das in der Hauptsache das Infektionsschutzgesetz mit Befristung bis zum 31. März 2021 geändert wurde, steht seit 27. März im Bundesgesetzblatt. LTO schreibt zur Auswirkung auf die Demokratie: „In der Coronakrise hat die GroKo dem Gesundheitsminister weitreichende Kompetenzen zum Erlass von Rechtsverordnungen gesichert, an denen das Parlament nicht beteiligt werden muss. Rechtspolitiker der Opposition wollen das nicht akzeptieren und forderten eine Anhörung im Rechtsausschuss - die aber nicht zustande kommt, wie am Mittwoch bekannt wurde: Die GroKo-Vertreter überstimmten die Oppositionsfraktionen“ – im federführenden Gesundheitsausschuss gebe es aber Raum zur Erörterung der verfassungsrechtlichen Aspekte.  In der heutigen Lesung geht es hingegen darum, „wieder eine Reihe neuer Verordnungsermächtigungen in die Hand des Bundesgesundheitsministers“ zu legen. Laut aktuellem Gesetzentwurf wollen die Politiker das Infektionsschutzgesetz präzisieren. „Unter anderem wird dauerhaft eine gesetzliche Meldepflicht in Bezug zu Covid-19 und Sars-CoV-2 verankert … Testungen in Bezug zu Covid-19 sollen auf Basis einer Rechtsverordnung ... symptomunabhängig Bestandteil des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden.“ 

 

N-tv zitiert aus der Opposition: „Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hat die Parlamente in Deutschland aufgerufen, ‚überbordenden Maßnahmen‘ der Bundesregierung im Zuge der Corona-Krise im Zweifel einen Riegel vorzuschieben. Kubicki sagte, er halte den häufig verwendeten Begriff der ‚Lockerungen‘ für unangemessen.“ Er suggeriere, „der Staat würde den Menschen im Sinne eines exekutiven Gnadenaktes mehr Freiheiten zugestehen. Tatsächlich handelt es sich um die Rücknahme von Eingriffen in verfassungsrechtlich verankerte Freiheits- und Grundrechte.“ Aber: „Nicht die Ausübung der Freiheitsrechte bedarf einer ständigen Prüfung und Begründung, sondern die Beschränkungen dieser Rechte.“ Auch der Deutsche Anwaltverein fordert, die erlassenen Infektionsschutz-Verordnungen zumindest nachträglich dem Bundestag zur Überprüfung vorzulegen. Aus der Grünen-Fraktion heißt es, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht verfehle ihre Aufgabe: „Selten war es so wichtig, die Grundsätze der Verfassung gegen weitere Selbstermächtigungen des Gesundheitsministers hochzuhalten.“ Lambrecht aber nicke einfach alles ab.

 

Nachtrag: Der Staatssekretär beim Gesundheitsminister: "Der Gesetzesentwurf zielt darauf ab, Corona-Infizierte zukünftig schneller zu finden, zu testen und versorgen zu können. Zudem wird der Öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt ... wird diese Modernisierung mit einem Förderprogramm von insgesamt 50 Millionen Euro unterstützt. Auch sollen mehr Tests etwa in Pflegeheimen ermöglicht und die bereits bestehenden Meldepflichten an das Robert Koch - Institut erweitert werden. Dies ermöglicht auch das Erkennen von Mustern, um dadurch epidemiologische Rückschlüsse ziehen zu können." 

 

Debatte im Bundestag: hier im Video. Zum Nachlesen: Plenarprotokoll ab Seite 19567. Experten-Aussagen aus einer entsprechenden Anhörung im Bundestag am 11. Mai fasste die Bundestags-redaktion zusammen: Zu den im Gesetzentwurf geforderten Corona-Tests sagt der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), er lehne die Kostenübernahme für rein prophylaktische Coronatests ab, wenn keine Symptome vorliegen oder im Umfeld gefährdeter Personen. "Damit würden der GKV Kosten auferlegt für gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, die aus Steuer-geldern finanziert werden müssten. Die hochgerechneten Kosten von rund 60 Millionen Euro je eine Million zusätzlicher Tests könnten beitragssatzrelevant sein, warnte der Verband." Zur Corona-Prämie: "Nach Ansicht des VdK sollten die Prämien nicht von der sozialen Pflegeversicherung getragen, sondern aus Steuermitteln refinanziert werden." Außerdem: "Interessenvertretung pflegender Angehöriger zeichnete ein düsteres Bild ... Familien seien im Wesentlichen sich selbst überlassen und versuchten verzweifelt, die Pflege anders zu organisieren und mit dem Beruf in Einklang zu bringen. Die Situation erfordere ganzheitliche Lösungen für Menschen, die den ... Zenit ihrer Kräfte längst überschritten hätten. Der Gesetzentwurf sei vor diesem Hintergrund eine Enttäuschung."

 

"In der Anhörung nahm auch die Frage der Verordnungsermächtigungen breiten Raum ein, die mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag zugunsten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) ermöglicht wurden. Nach Ansicht von Rechtsexperten ist diese Vorgehensweise verfassungsrechtlich bedenklich." 

 

Nachtrag vom 13.5.: Rechtsausschuss: "Vehementen Einspruch der Opposition gab es gegen einen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD für ein Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, der in geänderter Fassung mit den Stimmen der Koalition zur Annahme empfohlen wurde ... Oppositionsabgeordnete kritisierten unter anderem, dass der Rechtsausschuss zu den im Entwurf vorgesehenen Grundrechtseingriffen nicht gehört wurde ... Die Vorlage sei 'juristisch extrem heikel' und bewege sich verfassungsrechtlich auf dünnem Eis..." Bundestagsdebatte zum Pandemieschutz 


25.3.2020

Das totale Risikomanagement 

 

In der heutigen Sitzung des Bundestags stehen Einlassungen zum „Epidemieschutz“ an. Das Ärzteblatt teilt mit: „Die Grünen konnten sich mit einer Forderung durchsetzen: Nach Angaben von Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wird der Bundestag morgen den Epidemiefall ausrufen. Gestern Abend habe es die Einigung gegeben, dass eine epidemiologische Lage ‚nicht mehr wie ursprünglich geplant von der Bundesregierung ausgerufen werden kann‘ … Es sei vereinbart worden, dass der Bundestag ihn ausrufe, ‚das wird er morgen sicher auch mit großer Mehrheit tun.‘ Dann werde sich der Bundesrat dazu verhalten … die Fraktion der Linken begrüßte diese Einigungen … Ursprünglich sollte der Epidemiefall entweder von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder von der Bundesregierung ausgerufen werden können.“ Die Sitzung des Bundesrats wird nun im Rahmen einer Sondersitzung auf den heutigen Tag vorgezogen. Am Freitag sollen die Länder die Gesetze des Bundestags ebenfalls abstimmen. Die Parteien betonen fraktionsübergreifend ihre gute Kooperation. Die Bundeskanzlerin ist ja in Quarantäne, hat daher mit den heutigen Beschlüssen – eindruckshalber – gar nichts zu tun. 

 

Das Handelsblatt titelte hingegen schon gestern: „Der Staat greift im Kampf gegen Corona nach immer mehr Macht – In der Coronakrise werden Bürgerrechte eingeschränkt. Die Bedenken gegen die weiteren Befugnisse nehmen zu – und reichen bis in die Koalition hinein.“ Je nachdem, was die Politiker beschließen, wird es dabei nicht bleiben. Bei ntv warnte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum „vor einem Ausbau des Überwachungsstaats und einer Beschneidung von Grundrechten“: „Wir müssen uns hüten, hier in eine Situation zu kommen, wo wir den Überwachungs-staat ohne Not ausbauen und das dann auch beibehalten … Es ist insgesamt ein Risikomanagement in nie dagewesener Totalität“, so der FDP-Politiker. Es drohe zudem eine „Entmachtung des Bundestags“. In Halle klagt übrigens ein Rechtsanwalt gegen den von Oberbürgermeister Bernd Wiegand ausgerufenen Katastrophenfall: „Dieser sei ohne Not und ohne Vorliegen des Tatbestands.“ Die Entscheidung sei rechtswidrig. „Einen Katastrophenfall kann man nicht präventiv ausrufen.“ 

 

Nachtrag: Teile der Sitzung im Bundestag sind hier sowie auch dort im Netz eingestellt. Zum beschlossenen "Sozialschutz-Paket" für Beschäftigte und Kleinselbständige: siehe dort. Welche Kompetenzen der Bund nach Ausrufung der Epidemie nun hat steht hier; ebenso was zur Entschädigungsregel für Eltern. Zum Nachtragshaushalt ist an dieser Stelle was zu lesen. Zu Änderungen im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht: siehe hier. Es könnte noch nach-justiert werden. Mit der geplanten Entlastung für Krankenhäuser, Ärzte und Pflegeeinrichtungen befasst sich diese Meldung. Zusammenfassender Beitrag der Beschlüsse: Legal Tribune Online. Siehe auch: Immunologe Hockertz: "Wir setzen das Grundgesetz außer Kraft mit einem untergeordneten Gesetz, dem Infektionsschutzgesetz." Irgendwann würden Juristen die Sache aufarbeiten. 

 

Nachtrag vom 1.4.: "Plan von Ministerpräsident Armin Laschet für weitgehende Regierungsbefugnisse im Kampf gegen das Coronavirus vorerst ausgebremst ... Das Parlament dürfe in Krisenzeiten der Regierung keine 'Blankovollmachten' ausstellen ... Gegen das geplante Epidemiegesetz hatten zuletzt auch Ärzte- und Pflegeverbände massive – teils auch verfassungsrechtliche – Bedenken geäußert." Das Vorhaben sei geprägt von kontraproduktiver Misstrauenskultur. Siehe auch: "Staatsrechtler kritisieren NRW-Epidemiegesetz heftig - 'Tod und Leben per Rechtsverordnung regeln - geradezu verrückt'!"

 

Nachtrag vom 20.4.FDP-Kritik zu von der Bundeskanzlerin kritisierten "Öffnungsdiskussionsorgien" (Video): "Die Kanzlerin 'maßt sich in der Corona-Krise Regelungskompetenzen an, die sie nicht hat' ... Zuständig seien nach dem Infektionsschutzgesetz die Länder. 'Rechtlich eindeutig ist: Nicht die Öffnung muss gerechtfertigt werden, sondern die Aufrechterhaltung der Schließung'." NRW-Landtag: "ruft Pandemiefall für zwei Monate aus - Das Gesetz ermöglicht es Laumann unter anderem, medizinisches Material zu beschlagnahmen ... Der Landtag stimmte zudem geschlossen für die Ausrufung des Pandemiefalls, der die Voraussetzung dafür ist, dass Laumann auch die Durchgriffsrechte des Gesetzes bekommt. Dieser ist zunächst auf zwei Monate befristet. Auch das Gesetz selbst hat ein Ablaufdatum: Es gilt bis Ende 2021." Nachtrag: NRW: "verschärft Corona-Verordnungen." Hingegen: "Halle hat den Katastrophenfall aufgehoben." Lage sei stabil.

 

Nachtrag vom 7.4.Siehe auch: "In einem Thesenpapier bemängeln mehrere Wissenschaftler um den Bremer Gerd Glaeske, dass neben Virologen kaum andere Wissenschaftler in die Krisenplanung einbezogen wurden ... warnen ... vor schweren sozialen Auswirkungen ... Grundrechte dürften nicht zu lange beschnitten werden." Dazu die Ärztezeitung: "Gesundheitsexperten üben in einem Thesenpapier konstruktive Kritik am Vorgehen der Regierung in der Corona-Krise. Darunter: Sars-CoV-2 werde mehr und mehr nosokomial und die Sterblichkeit überschätzt ... Die politischen Entscheidungen zur Pandemie fußen auf einer unzureichenden Datengrundlage; die allgemeinen Präventionsmaßnahmen ... bergen ein riskantes Paradox." Bundestagspräsident: "Schäuble stößt mit seiner jüngsten Anregung für eine Verfassungsänderung zur Schaffung eines Notparlaments auf einhellige Ablehnung."